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Das Spiel im Auge des Hurrikans

Mit Kalkül versucht Adobe, Anwender in die Cloud Libraries zu drängen. Wie funktioniert ein Workflow damit und resultiert unter dem Strich tatsächlich ein Mehrwert? Ist dies womöglich gar der Vorbote zur kompletten Einbindung in die Adobe Cloud?

Andreas Burkard Lange bevor ein Hurrikan Verwüstung anrichtet, kündigen düstere Wolken den Sturm an. Beide, der Hurrikan als Natur- und die Adobe Cloud als Technologie­phänomen, haben ein Zentrum. Bei der Adobe Cloud sind es zweifellos die Bibliotheken der neuen Creative-Cloud-Applikationen. Und beide Phänomene wirbeln Bestehendes kräftig auf, lösen Veränderungen aus und wecken da und dort Befürchtungen.

Der Datenstaubsauger

In den USA werden riesige Serverlandschaften errichtet. Der historisch gewachsene Technologievorsprung im Land der freien Menschen wird zu­nehmend mit einer globalen Datensammlung zementiert. Im Gegenzug gibt es kaum ein gängiges Wort für Datenschutz. Ein Hinterfragen ist unerwünscht, Hauptsache das Benzin bleibt billig.

Adobe, wie kann es anders sein, macht da fleissig mit. Mit viel Einfallsreichtum will die Firma heute unsere Design-Elemente und morgen wohl die gesamten Design-Prozesse bei sich wissen. Was im Moment noch eine Option für die Anwender ist, wird künftig wohl zur Pflicht.

Die Weltreise eines Farbfeldes

Wer beispielsweise in der aktuellen Illustrator-Version ein Farbfeld in der neuen Bibliothek speichert, übermittelt das Objekt erst mal an eine ferne Serverlandschaft. Danach wird es über die Adobe ID sich selbst und optional anderen Beteiligten in diversen Desktop-Applikationen und in einigen Mobile Apps zur Verfügung gestellt.

Bringt die Reise unseres Farbfeldes rund um den Globus einen Nutzen? Über ASE können Farbfelder problemlos exportiert werden. Ein lokales Speichern ergäbe Unabhängigkeit – Copy-and-Paste ist doch viel einfacher.

Alte Bibliotheken

Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind die Tage der lokalen Bibliotheken in InDesign bereits angezählt. Diesen Eindruck erweckt die Meldung, welche nun beim Erstellen einer lokalen Bibliothek aus dem Menü Datei erscheint. Es wird unmissverständlich auf die CC-Bibliothek verwiesen. Die «alten» Bibliotheken können nicht gemeinsam genutzt werden und sind InDesign vorenthalten.

Neue Bibliotheken

Die neuen Bibliotheken sind übergrei­fend und können gemeinsam genutzt werden. Die Brücke bildet die Adobe Cloud. In einigen CC-Programmen werden sie CC Libraries genannt, in anderen schlicht und einfach Bibliotheken. Diese aktuellen CC-Programme sind InDesign, Illustrator, Photoshop, Dreamweaver, After Effects, Premiere sowie diverse Mobile Apps wie Draw, Comp, Color, Capture und andere. Jedes der CC-Programme kann in den Optionen eine neue Bibliothek erstellen oder bestehende nutzen.

Die Deponie der Elemente

Bezüglich Anzahl der Bibliotheken gibt es keine Einschränkung. Und eine einzige CC-Bib­liothek kann angeblich bis zu 1000 Elemente enthalten.

Beim Anlegen von CC-Bibliotheken sind unterteilte Rubriken hilfreich. So können die verwalteten Elemente den Projekten zugeordnet werden. Elemente kann man danach einfach in die CC-Bibliothek ziehen. Voreingestellte Optionen bei der Erstellung von Farbfeldern oder von Formaten fügen diese selbstständig in die ausgewählte Rubrik der CC-Bibliotheken. Die Elemente in der Bibliothek werden eigenständig sortiert und in den unterteilten Bereichen wie Farben, Formate, Ebenenstile oder Grafiken aufgeführt.

Wird die standardmässige Sym­bol­ansicht in eine Listenansicht umgeschaltet, zeigt eine Grafik hilfreiche Informationen über das Bildformat oder die Herkunft. Das ist gut, denn Überraschungen lassen nicht lange auf sich warten. In der Praxis ist mit den CC-Bibliotheken in den unterschiedlichen CC-Applikationen schnell die eine oder andere Besonderheit ersichtlich.

Abstriche bei der Bearbeitung

Zieht man eine Form in InDesign in die CC-Bibliothek, so wird diese Form in Illustrator CC als Bildobjekt platziert. Es handelt sich also nicht mehr um eine editierbare Vektorform, so wie der Weg über die Zwischenablage dies könnte. Das Gleiche gilt auch für die umgekehrte Richtung.

Die Absatz- und Zeichenformate kann man zwar zwischen InDesign und Illustrator über die CC-Bibliotheken austauschen. Doch da der Umfang der InDesign-Formate weit höher ist als in Illustrator, werden längst nicht alle Einstellungen übernommen. So macht diese Möglichkeit in der Praxis nur eingeschränkt Sinn. Photoshop unterstützt den Austausch der Absatz- und Zeichenformate aus InDesign oder Illustrator gar nicht.

Textrahmen können nur innerhalb von InDesign editierbar ausgetauscht werden. In Illustrator ergibt sich daraus eine Bilddatei.

Ebenenstile aus Photoshop sind nur innerhalb von Photoshop verwendbar, obwohl die anderen Programme Effekte ebenfalls kennen.

Die Dokumentation dieses Verhaltens, welches den Ursprung in den technischen Unterschieden der Programme hat, liesse sich noch weiter fortsetzen. Fakt ist, man kann die Bibliothekselemente nur in der jeweiligen Applikation editierbar verwenden. In anderen Applikationen erfolgt eine Verknüpfung über die Cloud.

Die Cloudverknüpfung

Möchte man in InDesign über die CC-Bibliotheken Bilder austauschen, müssen diese vorher eingebettet werden. Diese Bilder werden dann innerhalb InDesign bei allen Beteiligten eingebettet platziert. Zieht man einfach bloss ein Bild in InDesign in die CC-Bibliothek, wird dabei «nur» ein Snippet-Objekt erstellt. Der Bildinhalt wird auf einem anderen Rechner nicht vollumfänglich angezeigt. Fehlende Verknüpfungen sind somit vorprogrammiert.

Wenn man Bilder von Adobe Stock verwendet, befinden sich diese nach dem Bezugsprozess in der CC-Bibliothek. Bei der Verwendung in einer CC-Applikation werden diese als Cloudlink platziert. Alternativ können Bilder mit dem Bewegen-Werkzeug auch aus Photoshop in die CC-Bibliothek eingefügt werden.

Aus der Cloud platzierte Bilder sind durch ein entsprechendes Cloudsymbol am Rahmen gekennzeich­net. Ein Verpackenprozess in InDesign oder Illustrator holt die Inhalte letztlich aus der Cloud und legt diese in den lokalen Link-Ordner.

Niemand will auf anderen Arbeitsstationen Inhalte im Status fehlend vorfinden. Es gibt im Umgang mit den CC-Bibliotheken das eine oder andere Wenn und Aber – anders als man sich den Workflow vielleicht vorgestellt hat.

Der verborgene Ableger

Der Hersteller vermittelt mit seinen Aussagen den Eindruck, die Elemente der CC-Bibliotheken würden ganz normal lokal gespeichert und bloss mit der Cloud synchronisiert. Dies muss allerdings relativiert werden. Elemente werden nicht einfach lokal auf dem Gerät gespeichert, sondern auf Mac durch zahlreiche Library-Unterordner verfrachtet. Für Normalanwender sind das Bereiche, von denen man besser die Finger lässt. Selbst Apple gibt sich alle Mühe, diesen Ordner zu verbergen. Über den Finder gelangt man im Menü Gehe zu mit zusätzlich gedrückter Alt-Taste zur Benutzer-Library.

Durchwühlt man dort diverse Unterordner, findet man tatsächlich die gesuchten Elemente. Diese weisen lange Referenznamen auf und wurden in verschiedenste Formate konvertiert. Darunter befinden sich InDesign-Snippets, PNG- und PDF-Dateien. Dies sind alles Formate, welche die Synchronisation zur Cloud für sich beansprucht. Wird in der CC-Bibliothek ein Element gelöscht, verschwindet der Eintrag auch im entsprechenden Components-Ordner der Benutzer-Library. Von «fassbarer» lokaler Speicherung kann also nicht die Rede sein.

Freigabe der CC-Bibliotheken

Auf einer möglichen zweiten Creative-Cloud-Installation innerhalb des Mietabos stehen die CC-Bibliotheken den CC-Programmen automatisch zur Verfügung.

Über den Befehl Zusammenarbeiten in den Optionen des Bedienfeldes kann man die Bibliotheken jemandem zur Verfügung stellen. Dieser Befehl führt über den Browser zu den Creative Cloud Assets. Um die Zusammenarbeit in den CC-Programmen übergreifend zu gestalten, muss die Einladung mit der E-Mail-Adresse der Adobe ID des Empfängers erfolgen.

Man kann die CC-Bibliotheken über eine Ordnerfreigabe den Beteiligten zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung stellen, wodurch ein gemeinsames Arbeiten mit Elementen innerhalb der CC-Applikationen erfolgen kann.

Zu beachten ist, dass einige mobile Apps wie Brush, Color und Shape noch keine Zusammenarbeit mit den Bibliotheken unterstützen.

Lokal oder global

Während ein Hurrikan auf dem Festland meist Verwüstung anrichtet, ist dies bei den CC-Bibliotheken als Zentrum der Adobe Cloudentwicklung freilich anders. Aus Sicht einer strukturierten Arbeitsweise mit lokal gespeicherten Elementen muss man jedoch nach den Vorteilen der CC-Libraries suchen. Klar, es gibt sie, diese Vorteile. Die Bedingung ist jedoch ein fester Glaube an stets verfügbare Serverlandschaften und Systeme, eine Gleichgültigkeit gegenüber Auswertung und möglicher Schnüffelei sowie die Be­reitschaft zu noch mehr Abhängigkeit. Und gelegentlich strapazieren die Bibliotheken auch die Geduld.

Abwägen der Zweckmässigkeit

Ein positiver Aspekt der CC-Bibliotheken kann der Austausch innerhalb von Teams sein. Vor allem eine Projektarbeit mit Beteiligten an verschiedenen Standorten kann davon profitieren.

Des Weiteren ist das Ablegen von Ebenenstilen aus Photoshop sinnvoll. Jemand kann passende Ebenenstile anlegen, alle Beteiligten können diese dann schnell und einfach nutzen und garantieren so eine einheitliche Bildsprache. Der Austausch könnte auf Einstellungsebenen erweitert werden. Wer den Cloud-Dienst Adobe Stock nutzt, hat die Inhalte übersichtlich in der Bibliothek.

Der grösste Nachteil ist die Cloud-Problematik selbst. Systeme müssen dauernd verfügbar sein! Vor allem unter Druck und im verantwortungsvollen Umfeld ist das Ausgeliefertsein an Adobe-Server sehr beklemmend. Man denke dabei an die Verlagswelt mit der Produktion von Magazinen, Zeitschriften und Zeitungen.

Als die CC-Bibliotheken eingeführt wurden, musste man ab und zu stundenlang warten, bis die Elemente zur Verfügung standen. Adobe hat in der Zwischenzeit bezüglich der Zuverlässig­keit ihrer Systeme einiges verbessert. Doch nach wie vor können irritierende Verzögerungen auftreten. Die CC-Bibliotheken werden oftmals als Bremsklotz im Arbeitsfluss empfunden. Der dauernde Dialog mitden Servern bremst diverse Rechner unangenehm aus.

Innerhalb eines Abos stehen in der Regel 20 Gigabyte Cloudspeicher zur Verfügung. Adobe bietet bei Bedarf mehr Speicherplatz an. Die CC-Bibliotheken sind darüber hinaus langfristig als eine weitere Einnahmequelle zu betrachten. Um auf die Frage vom Anfang (Lead) zurückzukommen: Die jetzigen CC-Bibliotheken sind definitiv verführerische Vorboten einer noch weit grösseren Einbindung in die Adobe Cloud. 

 

Der Autor

Andreas Burkard erstellt als Grafik-Designer Konzepte für Print, PDF und interaktive Medien. Seit vielen Jahren ist er in der Publishing-Ausbildung und deren Workflow engagiert. Er unterstützt zudem Firmen in Konzeption und Schulung beim Aufbau ihrer eigenen Projekte.

www.BurkardPublishing.ch